Juniorprofessor Dr. Stefan Heinze vom Institut für Angewandte Physik der Universität Hamburg erhält den Gaede-Preis
2006. Die Deutsche Vakuum-Gesellschaft (DVG) würdigt damit seine Arbeiten zur Theorie der Raster-tunnelmikroskopie an
Übergangsmetallober-flächen mit speziellem Fokus auf Anwen-dungen der spinpolarisierten Rastertunnel-mikroskopie mit
der komplexe magnetische Strukturen auf atomarer Skala abgebildet werden können.
Der Magnetismus ist eines der ältesten bekannten physikalischen Phänomene und gleichzeitig ein hochaktuelles Thema
auf dem Gebiet der Festkörperforschung. Heute ist im Detail bekannt, warum Materialien magnetisch sind oder wie
Magnetismus und Elektrizität zusammen hängen. In der Technik werden Magnetfelder in allen Größenordnungen genutzt –
vom Magnetfeld der Erde zur Navigation mit einem Kompass über die Magnetfelder, die den Transrapid mit 400
Stundenkilometern berührungslos über seine Schienen rasen lassen, bis zu winzigen magnetischen Strukturen, in die auf
Computerfest-platten digitale Daten gespeichert werden. Die magnetische Datenspeichertechnik ist daher auch die treibende
Kraft, immer noch kleinere Magnete zu erforschen, denn wenn es möglich wäre, digitale Informationen Bit für Bit als
magnetische Information in benachbarte Einzelatome zu schreiben, könnte die gesamte Literatur der Menschheit auf der
Größe einer Briefmarke gespeichert werden. Aber soweit ist es noch nicht und zuvor sind noch grundlegende Fragen zu
klären: Was bedeutet Magnetismus für das einzelne Atom auf einer Oberfläche? Wie viele Atome sind nötig, dass man von
einem stabilen Magneten sprechen kann?
Ein wichtiges Arbeitsgebiet von Herrn Dr. Heinze ist die Theorie der Rastertunnelmikroskopie (RTM) und –spektroskopie an
Übergangsmetalloberflächen. Sein Schwerpunkt lag dabei auf der Erarbeitung eines theoretischen Modells für die Anwendung
des in Hamburg entwickelten Spinpolarisierten Rastertunnelmikroskops (SP-RTM) auf ultradünne magnetische Schichten.
Mit dem SP-RTM ist es bereits heute möglich, die magnetischen Eigenschaften einzelner Atome zu bestimmen. Das
„Standardmodell“ der Rastertunnelmikroskopie von Tersoff und Hamann wurde von Herrn Dr. Heinze erweitert und eine
Gleichung für den spinabhängigen Tunnelstrom im SP-RTM-Experiment abgeleitet.
Spannende Ergebnisse der Arbeiten von Herrn Dr. Heinze waren einerseits die Vorhersage der ersten direkten Abbildung
von zwei-dimensionalen antiferromagnetischen Strukturen auf der atomaren Skala mit Hilfe der SP-RTM, andererseits die
theoretische Erklärung des antiferromagnetischen Grundzustands einer Atomlage Eisen auf einer Wolframoberfläche, welcher
erst kürzlich mit Hilfe der SP-RTM zweifelsfrei experimentell nachgewiesen werden konnte. Ein weiteres bedeutsames
Resultat der Forschungsarbeiten von Herrn Dr. Heinze war die theoretische Erklärung von magnetisch bedingten Kontrasten
in der Rastertunnelmikros-kopie auch unter Verwendung nicht-spinsensitiver Tunnelspitzen: Durch ab-initio Elektronen-
strukturberechnungen konnte gezeigt werden, dass die Spin-Bahn-Kopplung auch im Fall von Metalloberflächen kleine
Veränderungen in der elektronischen Struktur zur Folge hat, welche erstmals mittels RTM unter Verwendung von
unmagnetischen Wolframspitzen nachgewiesen wurden.
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Ein besonderer Aspekt der erfolgreichen Forschung von Herrn Dr. Heinze ist die enge Zusammenarbeit von theoretischen
und experimentellen Arbeitsgruppen an einem Institut. Durch viele anregende Diskussionen und dem häufigen Austausch von
Ideen zwischen Theorie und Experiment konnte das Forschungsgebiet des Magnetismus auf der Nanometerskala entscheidend
vorangetrieben werden.
Herr Dr. Heinze wurde 1971 geboren und studierte Physik an der Universität Hamburg, wo er 1997 bei Prof. Wiesendanger
im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Blügel (Forschungszentrum Jülich) diplomierte. Während
seiner Dissertation forschte er teils an der Universität Hamburg und teils am Forschungszentrum Jülich. Nach Abschluss
seiner Promotion führte Herr Dr. Heinze zunächst seine Forschungsarbeiten am Institut für Angewandte Physik der
Universität Hamburg weiter, bevor er 2001 einen zweijährigen Postdoc-Aufenthalt am IBM Thomas J. Watson Research Center
in Yorktown Heights (USA) in der Forschungsgruppe von Phaedon Avouris verbrachte. Während dieser Zeit arbeitete er im
Rahmen eines Emmy-Noether-Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Theorie des elektronischen Transports
in Kohlenstoff-Nanoröhren. Im Jahr 2003 folgte Herr Dr. Heinze dann einem Ruf der Universität Hamburg auf eine
Juniorprofessor für „Mikroskopische Aspekte der Spinelektronik“. Gleichzeitig übernahm Herr Dr. Heinze die Leitung der
ersten Nachwuchsgruppe am neu gegründeten „Interdisziplinären Nanowissenschafts-Centrum Hamburg“ (INCH), welches sich
gegenwärtig im Aufbau befindet.
Der Gaede-Preis ist mit 7.000 € dotiert und wird seit 1986 jährlich von der Deutschen Vakuum-Gesellschaft an jüngere
Wissenschaftler für herausragende Arbeiten auf den Gebieten Vakuum- und Oberflächenphysik, Dünne Schichten und
Nanotechnologie vergeben. Die Preisverleihung findet auf der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
im März 2006 in Dresden statt.
Nähere Informationen:
Homepage Forschungsgruppe Juniorprofessor Dr. Heinze
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Eine schematische Abbildung des Spinpolarisierten Rastertunnelmikroskops, mit dem die magnetischen Eigenschaften
einzelner Atome sichtbar gemacht werden können. (© 2000 Stefan Heinze)
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